Wenn ich so durch meinen Instagram Feed scrolle, sehe ich jetzt zum Jahresende immer mehr Memes à la “2022: Januar, Februarmär… Sommer, Winter”. Meine Inbox ist voll von solchen Memes, die wir uns im Freundeskreis hin und her schicken – eines passender als das andere. Da hat die moderne Meme-Kultur mal wieder ein Phänomen eingefangen: 2022 hat sich für uns scheinbar kollektiv nicht nach einem Marathon, sondern nach einem echt flotten Sprint angefühlt. Kaum drei mal geblinzelt und schon ist Weihnachten. Irgendwie schon verrückt, wie so viele verschiedene Menschen den Zeitraum eines Jahres ähnlich wahrnehmen können. Und jetzt, wo sich das Jahr zum Ende neigt und wir unweigerlich in die übliche Reflektionsstimmung verfallen, scheint genau das noch einmal besonders auffällig zu sein.
Ich habe mir für diesen letzten Beitrag des Jahres für das JUNGLÜCK Magazin viele Gedanken gemacht, worum es gehen könnte. Brauchen wir noch einen weiteren Rückblick auf ein Jahr, in dem so viele negative und schockierende Ereignisse die Medienlandschaft und unser Privatleben überrollt haben? Gibt es überhaupt Worte, die in dieser Zeit angebracht sind? Worte, die allgemeine Hoffnung und Freude auf das neue Jahr vermitteln können?
Ich denke, dass du und alle weiteren Leser*innen ganz individuelle Gefühle, Hoffnungen, Ängste, Träume und Pläne in das nächste Jahr tragen werden. Du weißt selbst am besten, womit sich deine Gedanken zum Jahresende beschäftigen. Deshalb möchte ich hier auch nicht auf die üblichen Neujahrsvorsatz-Themen eingehen, oder einen Monolog über erreichte JUNGLÜCK-Meilensteine aus 2022 abliefern (auch, wenn es durchaus genug zu erzählen gäbe). Ich möchte lieber über etwas sprechen, das uns in diesen Tagen besonders verbindet: Zeit.
Zeitgefühl in 2022
Nach den Corona-Einschränkungen der letzten Jahre, kam in 2022 wieder ein wenig mehr Lebensgefühl zurück. Immer mehr Freiheitsglück, geselliges Beisammensein und ein Meer an Freizeit-Optionen – fast wie früher. Und gleichzeitig spielen sich dramatische Szenen in der Welt ab.
Politische Situationen spitzen sich immer weiter zu, Ausnahmezustände, Notstände, Freiheit nimmt ein abruptes Ende. Und wir? Wir leben im Spagat zwischen glücklichem Wohlstand und anhaltendem Weltschmerz. Die Zeit steht still und dann rennt sie umso schneller davon. Momente wurden gelebt, viele Tage erlebt, und die Zeit richtig gespürt, im Hier und Jetzt. Und vielleicht sind unsere Zeitgefühle deshalb am Ende irgendwie gemeinsam, nicht mehr so einsam wie in den Jahren zuvor. Und die Zeit wird ein Gefühl, das wir teilen, keine Messmethode, keine Uhrzeit oder ein Kalenderjahr.
Ein Jahr mit ganz viel Leben
Ein Jahr, in dem so viel geschehen ist. Für dich, für mich, für alle. Schönes, Trauriges, Wichtiges, Richtiges, Atemberaubendes, “Die-Welt-in-Atem-Haltendes”... Und vielleicht liegt es nicht in unserer Macht, die eigenen Zeitgefühle zu bestimmen. Und wir werden die Zeit nie anhalten können. Aber du hast in der Hand, wie du deine Zeit gestalten möchtest – Ein Reminder, den uns dieses Jahr geschenkt hat. Denn all der Negativität, Umbrüche und Tragik, die sich in der Welt zuträgt zu Trotze – oder vielleicht genau deswegen – haben wir 2022 zum Leben genutzt.
Wir haben es gefüllt mit Menschen, mit Festivals, mit gutem Essen und Sport, mit Barbesuchen, Familienfeiern und gepackten Reisetaschen. Wir haben viel erlebt, von Tagen mit guten Freunden, bis hin zu Nächten mit Fremden, die zu Vertrauten wurden. Wir haben getanzt, gelacht, uns umarmt, geküsst und neue Nähe gesucht. Wir konnten die Welt wieder erkunden, inmitten von Wellen und Menschenmassen stehen. Und noch vor all dem konnten wir die Momente sehen, in denen wir atmen konnten, in denen wir dankbar sein wollten und die Augen geschlossen hielten, um das Zeitgefühl einzufangen, fest zu halten und, bevor es wieder los fliegt, einfach nur für den Augenblick einen Gang zurück zu schalten.
“Time flies when you’re having fun” – Augen auf und schon stecken wir wieder im geilsten Freizeitstress seit langem. Und gemeinsam füllen wir, jede*r für sich, die Tage, Wochen und Monate mit Leben. Ganz unbemerkt und leise gleitet die Zeit rasant vorbei und schon ist Dezember und ich sitze in meiner Küche, wo ich diese Zeilen schreibe und mich ganz verbunden fühle, mit dir und mit allen da draußen. Augen zu und einmal ganz tief atmen, denn dieses Zeitgefühl, dieses Spiel aus Emotionen möchte ich gern einrahmen und aufhängen. Als tägliche Erinnerung daran, dass wir unser Leben frei gestalten und dass wir nach all der Distanz und des Entzugs, Gemeinsamkeit selbst in etwas so Abstraktem wie “Zeit” finden.
Und bevor wir bald in das neue Jahr eintauchen, bleibt nur noch eins zu sagen: Hab’ eine gute Zeit.