Wir haben es gewagt – unsere Kampagne zum Weltfrauentag 2021 ist live und, ich kann euch sagen, sie über die vergangenen Monate zu planen und umzusetzen war gedankenanregend, -verändernd und empowering zugleich.
Warum wir uns überhaupt eine Kampagne zum Weltfrauentag überlegt haben und wie ich mich persönlich über den Prozess der vergangenen Monate verändert habe und welche wichtigen Erkenntnisse während der Konzeption rund um Frau* sein und Weiblichkeit entstanden sind – darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Wenn du an einem normalen Arbeitstag – stellen wir uns mal vor, Corona läge hinter uns – in das JUNGLÜCK-Büro in München spazieren würdest, ja, dann würden dich erst einmal 30 neugierige Augenpaare fragend anschauen. Was aber schnell auffallen würde: Fast alle dieser Augen schauen dich aus den Gesichtern von Frauen* an. Et voilà! Da liegt es nahe, dass wir im vergangenen Jahr beschlossen haben, eine Kampagne von Frauen* für Frauen* auf die Beine zu stellen.
Wir fanden uns also im kleineren Team zusammen (natürlich virtuell) und sprachen darüber, was wir erreichen, was wir mitgeben wollen. Es entstanden Konversationen darüber, was es bedeutet, Frau* zu sein, was genau der Weltfrauentag eigentlich für uns ist und wie wir uns selber in diesem weiblichen Kosmos positionieren. So inspirierend, wie ich diese gesamte Brainstorming-Session erlebte, was hatte ich denn hier zu suchen? Klar, ich definiere mich als Frau und habe auch eine Meinung dazu, was das für mich heisst und wie ich damit umgehe, aber bin ich deshalb qualifiziert genug, bin ich selbstliebend genug, bin ich meinungsstark genug, bin ich feministisch genug – bin ich überhaupt Frau genug, um in dieser Position zu sein, anderen Frauen* vom Frau* sein zu erzählen? Und auch noch ein Gefühl von Empowerment mit meinem Beitrag geben zu können? Ich war mir wirklich nicht sicher. Und nach langem Gedankenrattern fiel mir etwas auf: Da haben wir den Knackpunkt:
Diese Unsicherheit über den Wert der eigenen Weiblichkeit zieht sich wie ein roter Faden von den großen gesellschaftlichen Strukturen bis hin zu den kleinen Verknüpfungen in uns selbst. Wenn man sich die letzten Jahrzehnte unserer Geschichte anschaut, verwundert es kaum, wie diese Unsicherheit selbst bei aufgeweckten, modernen, eigenständigen Frauen* im Jahr 2021 noch so tiefgreifende Einflüsse haben kann.
Zugegeben: We’ve come a long way.
Zumindest fühlt er sich lang an, dabei ist er rückblickend erschreckend kurz. Aus der heutigen Sicht ist es für die meisten jungen Frauen besonders in wohlhabenden Ländern wie Deutschland kaum vorstellbar, was sich seither getan hat. Dass wir erst seit 102 Jahren wählen und gewählt werden dürfen. Dass wir erst seit 59 Jahren ein eigenes Konto eröffnen dürfen. Dass wir erst seit 52 Jahren ohne die Zustimmung des Mannes arbeiten dürfen. Dass wir erst seit 24 Jahren gesetzlich vor Vergewaltigung in der Ehe geschützt sind und das als Straftat gilt. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" – Artikel 1 des Grundgesetzes wurde 48 Jahre vor der Verabschiedung dieses Gesetzes festgelegt.
Unsere Geschichte ist noch jung, aber wir können und sollten mit Dankbarkeit und Stolz auf die vielen Frauen und auch Männer zurückblicken, die für nachfolgende Generationen für eine Zukunft mit wachsender Selbstbestimmung, Perspektiven, Handlungs- und Meinungsfreiheit eingetreten sind. Und wir sollten ihre Kämpfe weiterführen, denn wir sind noch lange nicht am Ziel.
Was in unseren Teambesprechungen immer mehr und immer stärker durch klang, war, wie sehr sich die fehlende Akzeptanz für weibliche Stimmen, Meinungen und Erscheinungsbilder bis in die kleinsten Details und Ebenen unseres Lebens und unserer Persönlichkeiten eingeschlichen hat. Jede Frau* führt einen Kampf, sich selbst anzunehmen, einen Kampf mit ihrer eigenen Unsicherheit des Frau* seins und gleichzeitig einen Kampf gegen toxische Ideale, die ihr auferlegt werden. Und dabei wird ihr weiß gemacht, sie sei völlig alleine, dabei stehen so viele andere Frauen* und auch Männer* direkt neben ihr, beschäftigt mit den eigenen Kämpfen.
Wenn es nur eins ist, was du hier mitnehmen sollst, dann dass du nicht alleine bist.
Wir stehen alle neben dir, haben die gleichen Unsicherheiten das gleiche Ziel. Und wenn wir vielleicht einmal auf schauen, dann sehen wir, dass wir alle so individuell und unterschiedlich sind, wie es nur sein kann, aber dass wir gemeinsam Wertschätzung, Selbstliebe, Akzeptanz, Gleichberechtigung, Respekt und die Unantastbarkeit unserer Würde in ALLEN Bereichen erreichen können.
Dieser Aufruf, mutig und auf ganz eigene Weise “ja” zu uns zu sagen und ohne um Entschuldigung zu bitten oder Kompromisse einzugehen, diese Message auch zu leben, hat meinen Blick angehoben, meine Sicht auf unsere Gemeinschaft von Frauen* gelenkt und meine Wahrnehmung nachhaltig verändert. Ich habe endlich den Faden zu fassen bekommen, daran gezogen, um mein bisher weitestgehend fremd gestricktes Verständnis des Frau* seins entheddert und festgestellt, dass ich den Faden gar nicht nur alleine halte und erst Recht nicht alleine daran ziehe. So konnte ich meinen Platz neben meinen wunderbaren, vielseitigen, inspirierenden (die Liste solcher Adjektive könnte ewig weitergehen) Kolleginnen einnehmen. Und ich glaube, dass es nicht nur mir so geht, wenn ich sage, dass wir im Laufe dieser Kampagne so viel voneinander gelernt haben, uns gegenseitig hochgezogen, aufgerichtet und zusammengefunden haben und einfach erfahren konnten, wie schön es ist, Frau* zu sein, wie essentiell es ist, wir selbst zu sein und uns genauso auch wertvoll, schön und wohl zu fühlen.
Und aus diesem Gefühl heraus entstand die Botschaft, die wir nicht nur in dieser Woche, sondern jede Woche weitergeben und weiterleben möchten: Du sein steht dir.
Denn Frau* sein, das ist nicht ein Ding.
Frau* sein bedeutet, dass wir alle das Recht haben, uns selber und auch unsere Mitmenschen so anzunehmen wie wir und wie sie sind. Frau* sein bedeutet so viel mehr als nur ein Label oder ein Geschlecht. Frau* sein bedeutet Potenzial, Hoffnung, Courage, Antrieb. Frau* sein bedeutet du selbst zu sein. Und vielleicht bedeutet es für dich, so wie für mich auch, ein Bewusstsein zu entwickeln, dass wir eine Gemeinschaft sind. Dass jede Frau* genug ist, genauso wie sie* eben ist. Dass jede Frau* das Recht hat, ihre Stimme zu nutzen, ihre* persönliche Weiblichkeit zu definieren und ihre* Wahrheit zu leben und zu lieben.
Denn “Du sein, steht dir”.