World Aids Day: Wo stehen wir heute?

December 1, 2021

World Aids Day: Wo stehen wir heute?

by Michael Meinschad

Am 01.12. ist der alljährliche World-AIDS-Day. Seit 1988 soll dieser Tag an die AIDS-Pandemie erinnern und über das HI-Virus und HIV-Prävention aufklären. Aber was hat es mit HIV eigentlich auf sich? Ist die Krankheit überhaupt noch aktuell? Können sich auch Heteros anstecken? Und wie schützt ihr euch am besten vor einer Ansteckung? Diesen und viele weiteren Fragen zum Thema HIV & AIDS gehe ich, Michael, Produkt Manager bei Junglück, in diesem Blogbeitrag zum World-AIDS-Day auf den Grund. Und neben einigen Fact-Checks zum Thema HIV und aktuellen Zahlen gehe ich auch auf meinen persönlichen Bezug zum Thema HIV als offen schwuler Mann ein und erkläre, warum der World-AIDS-Day nicht längst Schnee von gestern ist. 

HIV & AIDS – Was ist was?

HIV steht für “Humanes Immundefizienz-Virus”. HIV ist also der Krankheitserreger nicht die Krankheit selbst. Wenn eine HIV-Infektion unbehandelt bleibt kann es aber langfristig zu AIDS, der eigentlichen Krankheit kommen. AIDS steht für acquired immune deficiency syndrome“. Zu deutsch: AIDS zeichnet sich durch ein dauerhaft geschwächtes Immunsystem aus. In der Folge können sich andere Erreger, die unser Immunsystem sonst abwehren würde, frei entfalten und selbst gewöhnliche Krankheiten wie eine Erkältung oder Grippe können tödlich enden. 

Was macht HIV in unserem Körper?

Das HI-Virus greift unser Immunsystem an, indem es die sogenannten ‘T-Helferzellen’ infiltriert und als Wirt nutzt. Die T-Helferzellen sind Teil der körpereigenen Abwehr und auch als sogenannte „Killerzellen“ bekannt, denn ihre Aufgabe ist es, die Krankheitserreger zu beseitigen. Außerdem sind sie eine Art Einsatzkommando des Immunsystems, d. h. sie sagen den anderen Zellen, was sie zu tun haben.

HIV greift ausgerechnet diese Helferzellen an und legt so die Kommandozentrale unserer Immunabwehr lahm. Gelangen dann Krankheitserreger in den Körper, kann das Immunsystem nicht mehr für Ordnung sorgen. Im schlimmsten Fall ist der Körper nicht mehr in der Lage, Krankheitserreger abzuwehren. 

Besonders tückisch: AIDS hat eine besonders lange Inkubationszeit von 1-3 Jahren. Das heißt, es kann kann mehrere Jahre dauern, bis nach einer HIV-Infektion, die typischen Immunschwäche-Symptome von AIDS zum Vorschein kommen. Daher bleibt die Krankheit selbst heute lange unerkannt. 

Aids-HIV-Welt-aids-tag

Geschichte der AIDS-Pandemie – eine ‘Schwulenkrankheit’?

Heute wissen wir: Jede*r, unabhängig von Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung, kann sich mit HIV infizieren. Lange Zeit galt AIDS jedoch als “Schwulenkrankheit” – ein Gerücht und Vorurteil, das sich bis heute hält. Insbesondere in den 1980er Jahren, als die Krankheit zum ersten Mal in den Fokus der Öffentlichkeit gelangte, erkrankten hauptsächlich schwule und bisexuelle Männer sowie Transfrauen an AIDS. Lange Zeit war nicht klar, woran das genau lag und warum die Krankheit offenbar nur Opfer in der schwulen Community forderte. Erst mit dem Aufkommen von HIV-Tests wurde klar, dass auch Frauen und heterosexuelle Männer sich anstecken können. 

Die Panik und Ratlosigkeit in der queeren Community war allgegenwärtig, während die Weltöffentlichkeit sich kaum dafür interessierte und AIDS von religiösen Menschen gar ‘als gerechte Strafe für die Sünde der Homosexualität’ interpretiert wurde. Abgesehen vor der Krankheit selbst, musste man sich auch vor den gesellschaftlichen Folgen einer Infektion fürchten, viele Infizierte verloren ihren Job oder wurden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, da nicht bekannt war, wie sich die Krankheit überträgt. Die AIDS-Stationen der Krankenhäuser verwahrlosten, weil sich viele medizinische Fachangestellte weigerten, AIDS-Patienten zu nahe zu kommen. In dieser Zeit forderte das Virus auch viele prominente Opfer wie Freddie Mercury, Rock Hudson, Klaus Nomi und Leigh Bowery, um nur einige Namen zu nennen. 

Auch heute noch wird die AIDS-Krise insbesondere in der schwulen Community als besonders schmerzhaft erlebt. Das Sexualleben einer ganzen Generation von schwulen und bisexuellen Männern wurde von der Angst vor Ansteckung bestimmt. Viele Zeitzeugen verzichteten jahrelang auf Sex, während die Zahl der Beeridigungen und Verabschiedungen von geliebten Menschen dramatisch stieg. Es fehlte schlichtweg die Aufklärung, Forschung und Entstigmatisierung, die leider viel zu spät eingesetzt hat. Aber auch in das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft im allgemeinen hat sich die AIDS-Pandemie eingebrannt. Ich erinnere mich noch deutlich daran, wie zum Beispiel die größte Sorge meiner Eltern bei meinem Outing war, dass ich mich selbst einmal mit HIV infizieren könnte. Oder wie oft die Krankheit als Schreckgespenst durch unseren Lehrplan spukte. Auch mein erster HIV-Test und wie irrational meine Angst vor einem positivem Testergebnis war, ist mir noch lebhaft in Erinnerung geblieben. Dabei hatte ich gerade erst mein erstes Mal mit meinem ersten Freund gehabt – und zwar geschützt. 

Und auch heute noch bewegt es mich sehr, wenn HIV und AIDS in den Medien thematisiert wird, obwohl ich keinen direkten persönlichen Bezug dazu habe. Ich bin HIV-negativ, kenne niemanden persönlich, der an AIDS gestorben ist und war in den 90er Jahren noch viel zu jung, um bewusst wahrzunehmen, was damals geschah. Dennoch berührt mich das Thema als offen schwuler Mann sehr. Neulich habe ich eine Serie gesehen, die die AIDS-Krise thematisiert. Jemand hatte gerade erst jemanden verloren und eine Freundin bat ihre Hilfe an, wie die Person mit ihrer Trauer umgehen könnte. Die beiden gingen zu einem kleinen Hügel, der voller flacher Flusssteine war. Sie gab der Person einen Stein in die Hand und sagte, dass jeder der Steine von jemanden niedergelegt wurde, der einen geliebten Menschen aufgrund des Virus verloren hatte. Damit war mein Abend gelaufen. Deshalb ist es mir so wichtig am heutigen Tag über das Thema HIV & AIDS aufzuklären, denn selbst heute noch halten sich viele Vorurteile. Aber warum ist das so? 

Übertragung

Um zu verstehen, warum die AIDS-Pandemie insbesondere die schwule Community so stark heimgesucht hat, ist es nötig, die Frage der Übertragungswege von HIV zu klären. Wie bereits erwähnt, wissen wir heute, dass HIV nichts mit der sexuellen Orientierung oder dem Geschlecht zu tun hat, sondern viel mehr mit sexuellen Praktiken. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind tatsächlich besonders gefährdet, da das Ansteckungsrisiko bei ungeschütztem Analverkehr wesentlich höher ist, als bei ungeschütztem Vaginalverkehr. Das Gewebe der Vagina ist nämlich wesentlich resistenter als die Darmschleimhaut. Immerhin dient es auch als Geburtskanal unserer Spezies. Die Darmschleimhaut hingegen ist deutlich empfindlicher und es kann beim Analverkehr schnell zur Verletzung kleiner Blutgefäße kommen, wodurch bei ungeschütztem Sex ein Blut-zu-Sperma-Kontakt möglich ist. HIV wird also durch das Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten wie Sperma und Vaginalsekret übertragen. Eine Übertragung über den Speichel (z. B. beim Küssen) ist übrigens nicht möglich. Die häufigsten Übertragungswege sind daher ungeschützter Geschlechtsverkehr und die gemeinsame Verwendung von Spritzen zum Drogenkonsum.

Wie kann ich mich schützen?

Zur HIV Prävention sollten die SaferSex Regeln beachtet werden. Das heißt, ungeschützter Geschlechtsverkehr sollte vermieden werden und es sollten Kondome oder Femidome verwendet werden. Risikogruppen können außerdem ein Medikament zur Prävention einnehmen, dass eine HIV-Infektion verhindert, die sogenannte PrEP („Prä-Expositions-Prophylaxe”). Diese schützt so gut wie Kondome vor HIV, wenn sie richtig angewendet wird, bietet aber keinen Schutz vor anderen Geschlechtskrankheiten. Auch beim Drogenkonsum kann eine Ansteckung durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden, indem sterile Nadeln verwendet werden (siehe SaferUse). 

Know your status!

Wenn du häufig wechselnde Geschlechtspartner*innen hast, solltest du außerdem regelmäßig einen HIV-Test machen. Aber auch wenn du monogam lebst oder nur selten Sex hast, kann ein Test nicht schaden, um zu wissen woran du bist. Für den Test wird dir Blut abgenommen und in einem Labor auf HIV untersucht. Den Test kannst du entweder kostenlos bei HIV-Schwerpunkt-Arztpraxen, bei den städtischen Aidshilfen und Gesundheitscentern machen oder kostenpflichtig bei deinem Hausarzt. 

Status quo – HIV und AIDS heute

Ganz wichtig: Ein positives Testergebnis bedeutet heute keinen Weltuntergang mehr. Wenn HIV früh genug erkannt wird, kann es sehr gut behandelt werden und mit nur 1-2 Tabletten pro Tag ist es möglich, ein langes und gesundes Leben zu führen. Wenn die Therapie gut anschlägt und du die Medikamente gewissenhaft nimmst, kann deine Viruslast sogar unter die Nachweisgrenze fallen. Das heißt, bei einem HIV-Test kann das Virus nicht mehr nachgewiesen werden und du bist auch für andere nicht mehr ansteckend. Umso wichtiger, dass genau diese Sicherheit, dieses Wissen, auch verbreitet wird, um dem Stigma rund um HIV und AIDS weiterhin entgegen zu wirken. 

Insgesamt ist AIDS zumindest in der westlichen Welt rückläufig. Auch an einer Impfung wird bereits geforscht. Eins ist also klar: es hat sich seit den 80er und 90er Jahren einiges getan und ich bin sehr froh, dass meine Generation nicht mehr in dieser Intensität betroffen ist. Innerhalb der Community, aber auch in vielen anderen Teilen der Gesellschaft, findet immer mehr Aufklärungsarbeit statt. Aktionen wie der Welt Aids Tag sind dabei extrem wichtig, um verstärkt aufmerksam zu machen und aufzuklären. Und das eben nicht nur in der LGBTQIA+ Community, sondern auch bei Heterosexuellen. HIV bzw. AIDS geht eben jede sexuell aktive Person etwas an. 

Für mehr Informationen und Aufklärung zum Thema HIV, AIDS & SaferSex, besuche gerne die Webseite der deutschen Aidshilfe (www.aidshilfe.de).

Dein Michael

 

 

Quellen

Deutsche Aidshilfe: HIV / Aids. URL:  https://www.aidshilfe.de/hiv-aids (Abgerufen am 29.11.2021).

Deutsche Aidshilfe: HIV-PrEP. URL: https://www.aidshilfe.de/hiv-prep (Abgerufen am 25.11.2021).

Robert Koch Institut: HIV/AIDS: Eckdaten und Trends für Deutschland und für die Bundesländer. URL: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/HIVAIDS/Eckdaten/Eckdaten.html (Abgerufen am 25.11.2021).

Robert Koch Institut: 1981 bis 1990: AIDS – die politische Dimension in den 1980er Jahren. URL: https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/Bildband_Salon/1981-1990.html (Abgerufen am 25.11.2021).

Wikipedia: AIDS. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/AIDS (Abgerufen am 29.11.2021)

World Aids Day: What is World AIDS Day?. URL: https://www.worldaidsday.org/about/ (Abgerufen am 24.11.2021).

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